Samstag, 6. August 2022

 Hiroshimatag 2022

Zum 77. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. August haben sich auch in diesem Jahr wieder ca. 50 Menschen an unserem Mahnmal für die Opfer der Atombomben versammelt. Angesichts des Krieges in der Ukraine mit Russlands unverhohlener Drohung mit Atomwaffen und den massiven Waffenlieferungen aus den NATO-Staaten wächst die Gefahr eines Atomkrieges und damit das Ende der menschlichen Zivilisation. Daher begann unsere Veranstaltung in diesem Jahr um

5 vor 12

um auf die Dringlichkeit atomarer Abrüstung hinzuweisen.

Nach kurzer Begrüßung, dem Blumenlegen auf das Friedenssymbol und der Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer, hielt Frau Bürgermeisterin Gabi Mayer für die Stadt Bonn als Mayer for Peace folgendes Grußwort:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Lieber Herr Nicoll,

liebe Vertreterinnen und Vertreter der Friedensinitiative Beuel,

liebe Friedensgruppe Beuel,

liebe Ärzte gegen Atomkrieg,

liebe Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung, heute hier zu Ihnen zu sprechen.

Vor genau 77 Jahren ging das erste Mal in der Geschichte der Menschheit eine Atombombe auf eine Stadt nieder: Am 06. August 1945 um 8:15 Uhr Ortszeit wurde die Bombe „Little Boy“ auf Hiroshima abgeworfen. Drei Tage später traf eine weitere Atombombe Nagasaki.

Allein in Hiroshima starben mindestens 140.000 Menschen durch den Atombombenabwurf. Viele weitere verstarben in den folgenden Jahren und Jahrzehnten in Folge der radioaktiven Strahlung, die von den Bomben ausging. Bis heute leben die Menschen in Hiroshima und Nagasaki mit den Folgen der Angriffe. An Opfer erinnern wir uns heute – die Toten und die Lebenden, auch die nächsten Generationen. Die schrecklichen Bilder von Leid und Verwüstung, Tod und Verstümmelung, haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingegraben. Sie dürfen niemals in Vergessenheit geraten.

Ich bin froh und dankbar, dass in Bonn viele Menschen und Organisationen dafür eintreten, dass die Erinnerung lebendig und der Ruf nach Frieden laut bleibt. Die Beueler Friedensinitiative ist dabei eine wichtige Stimme.

Denn eine Welt mit Atomwaffen wird niemals eine friedliche Welt sein. Daher setzen auch wir uns als Bürgermeisterinnen der Stadt Bonn in der Initiative Mayors for Peace für eine Welt ohne Atomwaffen ein. Außerdem ist die Stadt Bonn im vergangenen Jahr dem ICAN Städteappell beigetreten. Dieser fordert die Bundesregierung dazu auf, dem von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beizutreten.

Wie groß die Gefahr einer atomaren Bedrohung auch heute noch ist, erleben wir gerade in diesen Tagen durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, in dem auch ganz unverhohlen mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht wird.

Unter dem Eindruck der wachsenden militärischen Eskalation warnte UN Generalsekretär Antonio Guterres bei der Konferenz zum Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen erst vor wenigen Tagen:

„Heute ist die Menschheit nur ein Missverständnis, einen Rechenfehler von der nuklearen Vernichtung entfernt.“

“Es ist 5 vor 12!“- so lautet der Appell des heutigen Hiroshimatages. Daher haben wir uns heute ja auch um 5 vor 12 getroffen. Auf unseren Armbanduhren und Handies mag es jetzt bereits 12 Uhr vorbei sein – aber wir alle sind getragen von der Hoffnung, dass es noch nicht zu spät ist, das Steuer herum zu reißen und die Wende hin zu einer Entmilitarisierung und einer vollständigen Abschaffung aller Atomwaffen zu schaffen.

Ich danke unseren Friedensorganisationen vor Ort – heute vor allem der Friedensinitiative Beuel - für ihr hohes und sichtbares Engagement. Und ich wünsche mir viel Aufmerksamkeit für unsere Orte der Erinnerung, die zum Nachdenken und zu den richtigen Entscheidungen anregen. Denn den Frieden zu wahren ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern unser aller ureigenes Anliegen.

Gewalt ist im Großen wie im Kleinen nie die Lösung. Wir alle tragen die Verantwortung, eine friedliche und offene Gesellschaft mitzugestalten. Indem wir das tun, setzen wir ein Zeichen. Nicht nur heute, nicht nur zu den Bonner Friedenstagen im September, sondern jeden Tag.

Danke, dass Sie heute hier sind. Danke, dass Sie alle der Erinnerung Raum und dem Frieden ein Gesicht geben!

Vielen Dank.

Grußwort von Frau Bürgermeisterin Mayer

Im Anschluss an das Grußwort demonstrierten die Friedensfreundinnen und -freunde durch das Beueler Zentrum, wo sie bei den Passanten viel Aufmerksamkeit erregten.



Weitere Bilder hier

Zurück am Mahnmal verlas Susanne Rohde den Text von Martin Singe (Pax Christi), der kurzzeitig verhindert war:

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vor 77 Jahren wurden am 6. und am 9. August 1945 die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki von zwei Atombomben verwüstet, verbrannt und verstrahlt. Die Opfer dieser Atombombenabwürfe mahnen uns, alles zu tun, dass dies nie wieder geschieht. Wir gedenken ihrer und nehmen die Mahnung mit unserer alljährlichen Kundgebung auf.

In diesem Jahr sind wir in weitaus größerer Sorge als in den vergangenen Jahrzehnten, in denen trotz der ununterbrochenen Präsenz von Atomwaffen keine 100 km entfernt in Büchel / Eifel die Möglichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen wenig vorstellbar schien.

Doch die indirekte Drohung Russlands mit Atomwaffen im Kontext des Ukraine-Krieges zeigt, wie fragil die atomare Abschreckung ist. Der Atomkrieg ist jederzeit möglich. Weitere Eskalationen im Ukraine-Krieg auch durch Waffenlieferungen des Westens müssen unterbleiben. Wir brauchen eine sofortige starke Initiative der UNO und des Westens, die Kriegsparteien zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen zu bewegen.

ICAN ist die Internationale Kampagne zur Ächtung von Nuklearwaffen. Im Städteappell, dem sich die Stadt Bonn im letzten Jahr angeschlossen hat, heißt es u.a.: „Jeder Einsatz von Atomwaffen, ob vorsätzlich oder versehentlich, würde katastrophale, weitreichende und lang anhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen (von) 2017 und fordern die Bundesregierung zum Beitritt auf.“

Der neue Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) ist am 22.1. letzten Jahres in Kraft getreten. Dieser Vertrag ist notwendig geworden, weil sich die Atomwaffenstaaten seit über 50 Jahren weigern, der Verpflichtung zu vollständiger nuklearer Abrüstung aus dem Nichtverbreitungsvertrag nachzukommen. Die erste Staatenkonferenz zum AVV hat im Juni in Wien stattgefunden. Deutschland nahm zwar beobachtend teil, betonte aber den eigenen Nichtbeitritt zum Vertrag. Dies ist skandalös!

Hartnäckig hält die Bundesregierung an der nuklearen Teilhabe in der NATO fest. 90 km von Bonn entfernt lagern in Büchel in der Eifel etwa 20 Atombomben mit einer Sprengkraft von jeweils bis zu 13 Hiroshima-Bomben. Dazu stehen in Büchel auch Tornado-Jagdflugzege als Trägersysteme bereit, mit denen deutsche Soldaten alljährlich den Abwurf der Atombomben üben. Im Kriegsfall sollen Bundeswehrsoldaten die atomar-tödliche Last in die Ziele fliegen. Im Oktober wird sich die Bundeswehr wiederum an dem Atomkriegsmanöver der NATO „Steadfast Noon“ beteiligen.

Statt atomar abzurüsten, will die Bundesregierung mit dem 100-Milliarden-Paket zur Aufrüstung auch neue F-35-Atombomber anschaffen. Auch die Atombomben in Büchel sollen durch zielgenauere und in der Endphase lenkbare Bomben ersetzt werden. Dies senkt die Hemmschwelle für einen Einsatz. Dafür wird Büchel aktuell für 260 Millionen Euro umgebaut.

Das Konzept der „nukleare Teilhabe“ ist in Wirklichkeit ein Konzept der „nuklearen Gefangenschaft“ und es ist obendrein völkerrechtswidrig. Denn nach dem Nichtverbreitungsvertrag für Nuklearwaffen darf die Bundesrepublik weder unmittelbar noch mittelbar über Atomwaffen verfügen. Und in Büchel haben wir genau diese mittelbare – und im Ernstfall unmittelbare - Verfügungsgewalt. Jeder Einsatz von Atomwaffen wäre völkerrechtlich ein Verbrechen.

Der Internationale Gerichtshof hat vor 26 Jahren in einem von der UNO angeforderten Gutachten erklärt, dass der Einsatz dieser Waffen „generell“ völkerrechtswidrig sei. Atomwaffen können nicht zwischen Kriegsbeteiligten und Zivilist*innen unterscheiden, sie verursachen extreme Qualen, wirken durch die Strahlung unbegrenzt, zerstören die Umwelt, ziehen unbeteiligte Staaten in Mitleidenschaft und bedrohen den gesamten Planeten.

Wir fordern den Abzug der Atombomben aus Büchel, den Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe in der NATO, keine neuen Atombomber F-35, und den Beitritt Deutschlands zum AVV!

Wir müssen stärker werden in unserem Widerstand gegen die Atomwaffen. Es geht dabei um Aufklärung, um Druck auf die Abgeordneten und um direkten Protest und Widerstand. Beteiligt Euch an den Aktionen in Büchel und an der Protestdemonstration gegen das Atomkriegsmanöver in Nörvenich am 22. Oktober. Informiert Euch über die Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt!“ Alle Infos dazu im Netz auf der Seite atomwaffenfrei.de

Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Atombombenaufrüstung!

Susanne Rohde

Susanne Rohde ergänzte diesen Beitrag durch Zitate dessen, was der UN-Generalsekretär António Guterres vor wenigen Tagen am 1. August zum Start der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York sagte.

Guterres warnte angesichts zahlreicher Krisen weltweit vor dem steigenden Risiko atomarer Vernichtung. Die Welt befinde sich in einer "Zeit nuklearer Gefahr, wie es sie seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht mehr gegeben hat".

"Die Menschheit läuft Gefahr, die Lehren zu vergessen, die in den schrecklichen Feuern von Hiroshima und Nagasaki geschmiedet wurden". Die Welt sei nur ein Missverständnis oder eine Fehlkalkulation von der nuklearen Vernichtung entfernt.

Die Beseitigung von Atomwaffen sei die einzige Garantie, dass diese niemals eingesetzt würden.



Zum Abschluss der Veranstaltung trugen einige Friedensfreunde Auszüge aus einem Artikel im Generalanzeiger von Wolfgang Pichler am 25. Juli 2022 vor:

"Wenn 600 Meter über dem Bonner Münster eine Atombombe explodiert, herrscht am Boden darunter eine Temperatur von 3000 bis 6000 Grad:

-   Jedes Lebewesen zwischen Heerstraße und Zweiter Fährgasse verbrennt zu Asche.

-   Am Beueler Rheinufer schmelzen die Steine.

-   In Poppelsdorf wird menschliche Haut zu schwarzer Kruste.

-   In der Rheinaue verkohlen die Baumstämme.

-   Von größeren Häusern bleiben nur jene Wände stehen, die mit der Schmalseite zum Münster zeigen.

-   Kleinere Häuser zerdrückt die Druckwelle aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig.

Das war vor 77 Jahren die Wirkung der Atombombe von Hiroshima. Heutige Modelle, meist Wasserstoffbomben, sind um ein Vielfaches stärker."

Schluss der Veranstaltung 12:55 Uhr.


Bericht des General-Anzeigers vom 7. August 2022